Kanusport und Naturschutz vereinbaren - Ist das möglich?
Projekt - Umweltverträgliches Kanuwandern

Ausgangssituation

Die Heidebäche Ilmenau, Gerdau, Böhme, Wümme, Örtze und Lachte bieten für den Kanusportler und Naturliebhaber eine in Deutschland fast einzigartige Möglichkeit, sich in naturnahen oder landwirtschaftlich extensiv genutzten Räumen zu bewegen! Dies macht die Flüsse natürlich auch für Naturschutzvorhaben interessant. Dazu kommt eine gesteigerte Nachfrage nach Paddelangeboten in der Region. Ein Konflikt zwischen den Interessengruppen führt - oder kann führen - zu totalen oder teilweisen Sperrungen, um die Zahl der Paddler zu kontrollieren. Die bisherige Regelungen - wie Sperrungen - verschärfen das Problem jedoch. Denn die Zahl der Paddler wird nicht geringer, sie suchen sich nur neue Bäche. Der Verdrängungseffekt verschiebt das Problem auf den nächsten kleinen Bach! Im Heidegebiet gibt es bereits eine Vielzahl von Sperrungen, so dass Gewässer, wie die noch nicht gesperrte Ilmenau, verstärkt frequentiert werden.

Kanuverleiher, die ihre Kundschaft schlecht informiert auf die Gewässer schicken, tragen zur Verschlechterung der Situation bei. Der Deutsche Kanuverband bemüht sich, seine Mitglieder in Lehrgängen weiterzubilden ( Ökoschulung). Allerdings ist heute die Mehrheit der Kanuten nicht mehr in einem Verband organisiert. Anbieter schließen sich zusammen, um gemeinsam Lösungsmöglichkeiten zu suchen ( Bundesverband Kanutouristik ).

An dieser Stelle, dem Konflikt zwischen Nutzung und touristischem Angebot versus Naturschutz und Biotopschonung, setzt das Projekt an.




Ziele des Projektes 

Das Projekt "Umweltverträgliches Kanuwandern" läuft seit nunmehr 2 Jahren. Es wird von der Europäischen Union durch LEADER II Mittel gefördert. Der Verein natur aktiv e.V. arbeitet im Auftrag der 7 Landkreise Celle, Gifhorn, Lüchow-Dannenberg, Lüneburg, Rotenburg / W., Soltau-Fallingbostel und Uelzen aus der Heideregion. Innerhalb der Landkreise sind die Ämter für Wirtschafts- und Tourismusförderung, Naturschutz und Wasserwirtschaft vertreten. Die Bezirksregierung Lüneburg ist informeller Teilnehmer.

Warum das Projekt? Die Belastung auf den Flüssen wurde durch den gestiegenen Kanutourismus vergrößert. Ziel des Projektes ist, das Naturerlebnis auf den Flüssen weiter zu ermöglichen und über das Naturerlebnis auch zu lernen. Das bedeutet, nicht gegen den Kanutourismus zu arbeiten, sondern ihn in Richtung Qualität vor Quantität zu entwickeln. Wir hoffen, über Informations- und Regulierungsmaßnahmen vorbeugend weitere Sperrungen zu verhindern und damit die Naturerfahrung als Grundelement für die Ausbildung eines Umweltbewußtseins weiter in der Region zu ermöglichen. Zu diesem Zweck arbeiten wir z.B. mit den Naturschutzbehörden eng zusammen.
Es geht im Projekt "Umweltverträgliches Kanuwandern" um die Entwicklung eines nachhaltigen Kanutourismus, der sowohl die Interessen von Naturschutz ( Anzahl der Paddler in sensiblen Bereichen verringern ) als auch des Fremdenverkehrs ( Werbung mit umweltverträglichen Kanutouren auf geeigneten Abschnitten ) berücksichtigen soll.

Unser Lösungsansatz ist: Lenkung durch Information sowie eine differenzierte Befahrungsregelung.




Lenkung

Der Kanutourismus in der Region muss gelenkt werden, um die Verteilung der Kanuten auf Gewässerabschnitte zu erreichen, die ihrer Belastbarkeit entspricht. Kleine Oberläufe sind tabu, mittlere Abschnitte dürfen nur mit kleinen Gruppen befahren werden und Unterläufe sind für die größeren Gruppen und Ausflüge der Anlaufpunkt. Die Gruppengröße alleine ist jedoch nicht entscheidend. In sensiblen Bereichen muss der Paddler sowohl sein Boot beherrschen, als auch über das von ihm ausgehende Gefährdungspotential informiert sein! Er soll wissen, warum er sich umweltverträglich verhalten soll, um die nötige Akzeptanz zu schaffen.

Die Lenkung wird mit folgenden Instrumentarium erreicht:
Infrastrukturmaßnahmen, wie Stege und Rastplätze, lenken die Paddler an die vorgesehenen Einsatzstellen.
Durch Infotafeln ( Lehrpfad ) werden die Kanuten über die Ökologie des Gewässers und umweltverträgliches Kanuwandern informiert. Dieser " Lehrpfad" ist von dem Projekt konzipiert und an den Ein- / Ausstiegsplätzen und Pausenstellen installiert. Dabei werden in allen Landkreisen die wichtigen Fließgewässer für den Kanutourismus berücksichtigt ( Ilmenau, Örtze, Böhme, Wümme, Jeetzel, Luhe ... ) Als Handreichung dient eine Flußkarte mit detaillierten Informationen über den Flußabschnitt und dessen Besonderheiten.
Eine differenzierte Befahrungsregelung verbindet das Befahren mit Auflagen: Gruppengröße, Bootstypen, Tageszeiten etc.. Ein besonders wichtiger Punkt ist die vorgeschriebene Einweisung für Gruppen. Damit diese Einweisung unsere Kriterien erfüllt, werden Anbieter in einer Multiplikatorenschulung ausgebildet ( Interpretation als Umweltbildungsmethode ). Eine Multiplikatorenschulung ist ausgearbeitet. Eine erfolgreiche Teilnahme ist Voraussetzung für den Erwerb eines Zertifikats / Gütesiegels, welches die Werbung seitens der Fremdenverkehrsverbände und die Zulassung zur Befahrung sensibler Bäche in den Landkreisen ermöglicht. Erstmalig wurde damit von uns in einem Verordnungsentwurf die Befahrung von Gewässern von Umweltbildung abhängig gemacht.




Wasserwander-Lehrpfad

Ziel des Lehrpfades ist es, durchgehend den Bezug des Paddlers zum Ökosystem Fließgewässer herzustellen. Der Fluß soll als belebte Umwelt erkannt werden, die Verletzbarkeit und Schutzwürdigkeit der Lebensräume soll transparent gemacht werden.
Bei der Vermittlungsform sollen vor der reinen Wissensvermittlung die emotionalen Zugänge angesprochen werden.
Abwechslungsreich und unterhaltsam wird bei der Ansprache an das Erlebnis des Paddelns angeknüpft, veränderte Perspektiven und andere Sichtweisen ermöglichen neue Erkenntnisse. Durch Handlungsanregungen werden Wissensinhalte besser umgesetzt.

Der Lehrpfad soll die Ziele des Projektes unterstützen und vertiefen.

Angesprochen werden Einzelpersonen, Paare, Familien, und sonstigen Gruppen. Unterschiedlich ist die Motivation und der Bildungsstand der Besucher. Der ausgearbeitete Lehrpfad ist an ein möglichst breites Besucherspektrum gerichtet. Er orientiert sich vor allem an Personen ohne spezielle Vorbildung, mit Sport- und Erholungsbedürfnissen. Das Spektrum der Inhalte und der gewählten Medien reicht von direkten Handlungsanleitungen auf Informationstafeln bis zu Installationen, die die sinnliche Wahrnehmung und Erfahrung der Umwelt erweitern sollen.

 

Für die Informationstafeln gilt, daß eine Informationsvermittlung, die auf indirekte Art und Weise den Kanuten selbst erkennen läßt, wie er sich naturverträglich verhalten kann (daß er z.B. nicht an der Böschung lagern sollte) längerfristig wirksam sein dürfte und einen echten Lerneffekt beinhaltet.

Um eine "corporate identity" zu erzielen und Kinder besser anzusprechen, ist ein Leittier/-pflanze als Maskottchen oder Cartoon integriert, das überall im/am Fluß vorkommt. Dieses Maskottchen tritt auf den Tafeln als Informationsvermittler auf und gibt Tipps.

Grundsätzlich sollen sich die Lehrpfadinstallationen nur an den ausgewiesenen Ein- und Ausstiegsstellen befinden. Unterwegs wird weitgehend auf Informationen verzichtet um das Naturerleben der Flußfahrt nicht zu verbauen.

 

Die Medien / Elemente des Lehrpfades

Informationstafeln mit Bild und Text

Sie sind die Basis des Lehrpfades, da sie die meisten Informationen vermitteln können, an allen vorgesehenen Orten platzmäßig aufzustellen sind, entscheidend zum Gesamtlayout (Wiedererkennungswert) beitragen und verhältnismäßig kostengünstig sind. Sie können verschiedene Informationsebenen vermitteln.

  • Mit Anleitungscharakter zur direkten Verhaltensbeeinflussung
  • Mit Informationen zur Ökologie, Gestalt und Artenvielfalt des Flusses und der Landschaft. Ökologische Informationen können mit Verhaltensanleitungen gekoppelt sein.
  • Mit Informationen zur Infrastruktur.



Verordnung

Differenzierte Befahrungsregelung

Das bisher benutzte Instrumentarium der Regulierung des Kanutourismus auf den Gewässern der Region zeigt einige sehr negative Begleiterscheinungen. Zum einen ist ein Verdrängungseffekt zu beobachten. Ein gesperrter Fluss ‘verschiebt‘ das Problem nur auf die Nachbargewässer. Zum anderen sind durch verschiedene Verordnungen in den Landkreisen teilweise kuriose Befahrungsregelungen auf den Bächen entstanden.
Unser Ansatz soll Landkreis übergreifend angewendet werden können. Auch innerhalb eines Landkreises ist so eine einheitliche, nachvollziehbare Regelung möglich. Eine Verdrängung auf andere sensible Gewässer wird so vermieden

Hinweise zum Muster-Entwurf der "Verordnung des Landkreises über den Schutz von Lebensstätten und Lebensmöglichkeiten für besonders geschützte Tiere in und an den Gewässern im Landkreis"

Bestandteil des LEADER II Projektes "Umweltverträgliches Kanuwandern" ist auch die Möglichkeit der Regelung des Bootsverkehrs auf den Gewässern durch eine differenzierte Befahrungsregelung. Hierzu wurde ein erster Entwurf auf der Ebene der unteren Wasser- und Naturschutzbehörden aufgestellt. Er muß in den einzelnen Landkreisen - soweit er zur Anwendung kommen soll - mit der Verwaltungsspitze und von den politischen Gremien abgestimmt bzw. beschlossen werden.

Der Musterentwurf wurde federführend vom Landkreis Uelzen, untere Wasserbehörde, unter Einbeziehung der Landkreise Celle (Herr Ortmann), Lüchow-Dannenberg (Herr Kornell) und Soltau-Fallingbostel (Frau Meyer, Herr Kassau) sowie von Herrn Möller-Runge von natur-aktiv e.V. erarbeitet. Die einzelnen Passagen bzw. Paragraphen des Entwurfes wurden teilweise kontrovers diskutiert. Dieser Entwurf einer Verordnung über die qualifizierte Regelung der Gewässerbefahrung stellt eine Grundlage dar, die jeweils an die örtlichen Verhältnisse anzupassen ist.

Hierzu sollen die folgenden Hinweise dienen, die sich jeweils auf die §§ der Musterverordnung beziehen.

 

Muster-Entwurf, Stand 08.04.2000




Gütesiegel

Um das Gütesiegel (z.B. Umweltverträgliches Kanuwandern) zu erhalten, müssen Anbieter von Kanutouren bestimmte Kriterien erfüllen und sich auf ein zu definierendes naturverträgliches, sanftes Verhalten festlegen.

Die Anforderungen werden wie folgt lauten:

  • Mitarbeiter und Geschäftsführung legen eine Multiplikatorenschulung ab
  • Vor dem Start einer Tour muss eine ausführliche Einführung der Teilnehmer stattfinden. Sie soll folgende Themen enthalten
  • Das Gewässer wird erklärt, die Ökologie kann auch anhand des Lehrpfads vermittelt werden.
  • Das Verhalten der Gruppe auf dem Fluss wird besprochen.
  • Auf Pausen und Rastplätze wird hingewiesen.
  • Eine Einführung in die Paddeltechnik muss gewährleisten, dass die Kunden die einfachen Grundtechniken zum Steuern des Bootes kennen.
  • Es muss Hinweise auf Regeln und mögliche Verordnungen geben.
  • Auf bestimmten Bachabschnitten dürfen nur geführte Touren durchgeführt werden.
  • Die Gruppengröße muss eingehalten werden und dem Gewässer anpasst sein. (Siehe VO)
  • Die Boote werden gekennzeichnet und angemeldet.

Werbung mit dem Gütesiegel

  • Sanftes Paddeln in der Region ist ein attraktives Angebot und wird von den gewünschten Gästen nachgefragt.
  • Geführte Touren können ähnlich wie eine Rangerbegleitung durch einen Nationalpark vermarktet werden.
  • Fremdenverkehrsbroschüren werben nur für Anbieter mit Gütesiegel.




Schulung

Lehrgangskonzeption der Schulung für Multiplikatoren im Kanusport
"Umweltbildung im Kanusport - lästiges Anhängsel oder große Chance?"

Ziele, Inhalte und Methodik

Die zweitägige Multiplikatorenschulung "Naturschutz im Kanusport - lästiges Anhängsel oder große Chance" setzt sich aus zwei Teilzielen zusammen, die innerhalb der Schulung sukzessive erarbeitet werden. In einem Teil geht es vorrangig um die Vermittlung ökologischer Zusammenhänge des regionalen Naturraumes, im anderen um didaktische Prinzipien zur Weitergabe des erlernten Wissens. Beide Ziele stehen im Kontext Kanusport und Naturschutz. Im Rahmen eines umwelt- und sozialverträglichen Kanutourismus kann es nicht darum gehen, weiteres Territorium für den Kanusport zu sichern, sondern in Absprache mit anderen Nutzergruppen die jeweils für den Bach und alle Beteiligten sinnvollste Lösung zu finden. Problembewußtsein und Verständnis für andere Positionen zu entwickeln ist demnach zentrales Anliegen der Schulung. Auf der Suche nach gemeinsamen Zielen und Forderungen von Kanusport und Naturschutz soll man naturnahen Bächen inner- und außerhalb Niedersachsens ein Stückchen näher kommen.


Die Methodik der Schulung basiert vorwiegend auf dem Prinzip der Kleingruppenarbeit, in der Themen selbständig erarbeitet und der Gruppe präsentiert werden. Dabei stehen Informationsaufnahme und Informationsweitergabe in einem ausgewogenen Verhältnis. Theoretische Einführungen in neue Themenkomplexe werden jeweils durch einen praktischen Teil vertieft, so daß Lerninhalte auf ihre Anwendbarkeit geprüft und direkt umgesetzt werden können. Als vorteilhaft für diese Trainingsform hat sich eine heterogene Gruppe erwiesen, die sich zum einen aus Vertretern des Kanusports zum anderen aus Vertretern der Umweltbildung/ des Naturschutzes zusammensetzt.